Interview mit dem Leiter des Trägers FÖJ Wattenmeer
Kann man mit einem FÖJ die Welt retten?
Interview mit dem Leiter des Trägers FÖJ Wattenmeer
Auch in diesem Jahr ist es wieder soweit: Das Bewerbungsportal für den neuen FÖJ-Jahrgang 2021/22 in Schleswig-Holstein ist wieder geöffnet. Organisiert wird dieses Bewerbungsverfahren gemeinsam von den beiden FÖJ-Trägern in Schleswig-Holstein. In meinem Fall war das der Träger FÖJ-Wattenmeer. Aber was macht eigentlich so ein Träger? Ich habe mit Ralf Gerhard, dem Leiter des FÖJ Wattenmeer, über seine Arbeit und das FÖJ gesprochen.
Moin Ralf!
Stell Dich doch bitte mal kurz vor:
Moin! Ich bin Ralf und leite das FÖJ Wattenmeer in Husum. Ich habe nach der Schule meinen Zivildienst für 18 Monate auf Pellworm, bei der Schutzstation Wattenmeer gemacht. Dies war zu der Zeit, als es noch gar kein FÖJ gab. Danach habe ich Forstwissenschaften studiert und mich dann in Richtung Waldpädagogik entwickelt und Arillus, ein Unternehmen für Umweltbildung, gegründet. Mit Arillus haben wir zum Beispiel Zeltlager und Klassenfahrten im Wald organisiert. Seit 2012 bin ich nun wieder an der Nordsee und leite das FÖJ Wattenmeer.
Was macht ein FÖJ Träger?
Wir organisieren das FÖJ. Das heißt, wir arbeiten zum einen mit dem Land zusammen und organisieren die Finanzen. Zum anderen arbeiten wir auch eng mit den ganzen Vereinen und Einsatzstellen zusammen. Außerdem organisieren wir den Bewerbungsprozess und die Seminare. Zusätzlich sind wir auch Ansprechpartner für die FÖJler*innen. Zusammengefasst stellen wir also den Rahmen für das FÖJ.
Was genau sind Deine Aufgaben beim FÖJ Wattenmeer und was macht Dir am meisten Spaß?
Als Leiter führe ich die Verhandlungen mit dem Land und bin auch viel als Netzwerker unterwegs, um mich mit Vertretern der Vereine, der Ministerien, aber auch den anderen FÖJ-Trägern bundesweit auszutauschen. Zusätzlich erstelle ich auch pädagogische Konzepte zum Beispiel für die Seminare, auf die ich auch selbst mitfahren darf. Das ist auch die Aufgabe, die mir am meisten Spaß macht. Mir macht es besonders große Freunde mit euch Freiwilligen direkt zu arbeiten, euch das ganze Jahr zu begleiten und gemeinsam Erfolge zu feiern. Es ist auch schön, die Veränderung von euch im Laufe des Jahres mitzuerleben.
Gab es ein besonderes Seminar-Erlebnis?
Besonders ist für mich immer im Einführungsseminar der Moment, wenn ihr Freiwillige anfangt untereinander zu reden und ihr merkt, was euch verbindet. Und dann die Erkenntnis, dass ihr gut in diese Gruppe passt und die Entspannung, die darauf folgt. Ansonsten sind es natürlich die gemeinsamen Naturerlebnisse, bei denen man einfach merkt, dass alle spüren, dass dieses Erlebnis jetzt etwas ganz Besonderes ist. Zum Beispiel als wir bei schlechtem Wetter zu einer Sandbank gewandert sind und genau als wir ankamen, die Wolken aufbrachen und die Sonne zu scheinen begann.
Und welche Aufgabe nervt?
Immer wenn es um formelle Verwaltungsaufgaben geht, kann es mal mühsam werden. Aber auch das gehört eben zu den Aufgaben dazu.
Wer finanziert eigentlich ein FÖJ?
Die Hauptfinanzierung kommt vom Land Schleswig-Holstein. Zusätzlich kommt noch Geld für die Seminare vom Bund dazu. Außerdem zahlen die Einsatzstellen noch einen Teil pro FÖJ Stelle und es gibt Spendengelder von verschiedenen Stiftungen und Organisationen.
In diesem Jahr sind noch zusätzliche Stellen dazu gekommen, oder?
Ja, dieses Jahr gibt es durch Corona ein Sonderprojekt auf Bundesebene im Bereich der Ausbildungsförderung, weil einige Ausbildungsstellen aufgrund der Unsicherheit von Unternehmen gestrichen worden sind. Hier hat der Bund dann eingriffen. Da hat das Land Schleswig-Holstein sich dann angeknüpft und hat spontan noch zusätzliches Geld in die Freiwilligendienste investiert, um auch jungen Menschen, die zum Beispiel eigentlich ein Auslandsjahr geplant hatten, noch eine weitere Möglichkeit zu bieten. Dadurch konnten insgesamt zwanzig weitere FÖJ-Stellen in Schleswig-Holstein finanziert werden. Zehn davon beim FÖJ Wattenmeer.
Zwei dieser Stellen sind übrigens noch nicht besetzt, also sollte jemand von euch noch spontan Lust haben, dann meldet euch gerne beim FÖJ Wattenmeer!!
Was sagst Du jemandem, der überlegt, sich für ein FÖJ zu bewerben?
Tu es! Das FÖJ ist eine großartige Möglichkeit etwas Neues auszuprobieren. Ich empfehle immer, sich etwas auszusuchen, worauf man Lust hat, was aber auch ein bisschen aus der Komfortzone und gewohnten Umgebung heraus geht. Also vielleicht als Stadtkind mal aufs Land zu gehen und andersherum. Ich würde aber immer empfehlen, nicht direkt nur in einem konkreten Ort zu suchen, sondern den Fokus auf die Tätigkeit zu legen. Also, habe ich Lust mit Schulklassen zu arbeiten, möchte ich in der Forschung tätig sein, Tiere pflegen oder aktiv zum Beispiel Bäume pflanzen.
Kannst Du Dich noch an alle FÖJler*innen aus den Jahren erinnern?
Ich behaupte ja. Meistens sind ehemalige FÖJler*innen sehr überrascht, woran ich mich alles noch erinnern kann, auch wenn ihr FÖJ schon ein bisschen länger her ist. Auch wenn es manchmal erst ein paar Hinweise braucht.
Was wünscht du dir für die FÖJler*innen am Ende des Jahres?
Ich wünsche ihnen, dass sie das im Herzen behalten, was sie hier ein Jahr lang gelebt haben.
Hat sich das FÖJ im Laufe der Jahre verändert?
Ich kann natürlich nur von den Jahren sprechen, seit denen ich hier arbeite. Aber was sich ein verändert hat, ist das Alter der Teilnehmer, da viele durch G8 schon früher mit der Schule fertig sind. Und ich glaube auch, dass das FÖJ ein Stück weit „normaler“ oder etablierter geworden ist. Es sind mehr Stellen geworden und auch die Breite, wer ein FÖJ macht, ist vielleicht auch weiter gewachsen. Aber ich glaube, die Grundsätze, auf denen das FÖJ beruht, haben sich nicht verändert.
Es gibt ja auch Pläne einen Pflichtdienst einzuführen, wie stehst Du dazu?
Ich bin dafür, dass ein FÖJ auf jeden Fall freiwillig bleiben sollte, denn das ist genau das, was so ein Engagement ausmacht. Die Freiwilligen entscheiden, auch gerade nach der Schulzeit, in der es nicht so viel zu entscheiden gab, dass ein FÖJ genau das ist, was sie nun ein Jahr lang machen möchten. Dazu gehört für mich auch, dass das FÖJ für jeden zugänglich ist. Das ist auch der Grund, warum Taschengeld gezahlt und eine Unterkunft gestellt werden, damit finanzielle Gründe diese Entscheidung möglichst nicht beeinflussen.
Durch Corona ist auch der Träger vor einige neue Aufgaben gestellt worden, oder?
Ja, am anstrengendsten war natürlich der Lockdown im Frühjahr, der für uns alle eine ganz neue Situation war. Wir haben vor allem am Anfang super viel organisiert, um allen FÖJle*innen eine gute Situation zu bieten und da haben wir unglaublich viel telefoniert. Ich hatte das noch nie, dass ich mein Handy so oft aufladen musste, einfach weil es komplett leer telefoniert war. Dazu kam natürlich, dass wir bei den Seminaren nun auch digital arbeiten mussten, was für uns ein komplett neues Medium war. Und es ist einfach doch etwas anderes, wenn man nur vor dem Bildschirm sitzt, anstatt sich direkt vor Ort persönlich zu unterhalten.
Kann man mit einem FÖJ die Welt retten?
Ich würde sagen ja. Natürlich nicht ich als einzelne Person. Aber wenn ich überlege, wie viele Gäste jedes Jahr bei Führungen von euch mitgehen und wenn das nur minimal etwas bei diesen Menschen bewirkt, dann können wir da schon viel bewegen. Außerdem ist das Symbol des FÖJs ja eine Pusteblume, die ihre Samen in die ganze Welt fliegen lässt. Und wenn ihr Freiwillige diesen Gedanken des FÖJs irgendwie mit in die Welt nehmt, dann lässt sich da ebenfalls viel bewegen. Und das muss gar nicht heißen, dass alle FÖJler*innen jetzt später im Naturschutz arbeiten müssen, sondern es kann auch der BWLer oder der Maschinenbauer sein, der den Gedanken bei seinen Entscheidungen oder bei seinen Forschungen im Kopf behält.
Was wünscht Du Dir für die Zukunft des FÖJ Wattenmeers?
Ich wünsche mir aktuell, dass wir bald wieder mit allen zusammen vor Ort die Seminare durchführen und wieder gemeinsam Dinge erleben können. Langfristig wünsche ich mir eine dauerhafte Sicherheit und Planbarkeit für das FÖJ. Und, da wir momentan nicht annähernd allen Bewerbern eine Stelle anbieten können, auch gerne noch mehr Plätze. Damit noch mehr junge, motivierte Menschen so ein tolles Jahr an der Westküste verbringen können.
Vielen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast für dieses Gespräch und danke, für Deine Arbeit!
Foto: FÖJ Wattenmeer, Ralf Gerhard (links im Bild) mit einigen FÖJler*innen auf Sommer-Seminar bei echt norddeutschem Wetter.